Am Donnerstag sind die Ergebnisse der sogenannten „ForuM-Studie“ zu sexualisierter Gewalt in evangelischer Kirche und Diakonie veröffentlicht worden. Regionale und landeskirchliche Aufarbeitungsstudien werden folgen. Es ist gut, dass dabei auch von sexualisierter Gewalt betroffene Personen und staatliche Stellen mitwirken.

Die Forum-Studie schaut zurück in unsere Vergangenheit. Die Ergebnisse treffen die evangelische Kirche mit ihren Gemeinden und diakonischen Einrichtungen bis ins Mark. Wir werden lernen, mit der Tatsache umzugehen, dass es auch in unserem Kirchenkreis, in unseren Gemeinden und unserer Diakonie sexualisierte Gewalt gab und gibt.

Die Zahl der Fälle und das institutionelle Versagen der Kirche sind viel größer als bisher gedacht. Und hinter jedem Fall steht ein Mensch und dessen individuelles Leid. Das Leid der Heimkinder, für die sich niemand eingesetzt hat und die sich der Gewalt nicht entziehen konnten. Das Leid von Kindern und Jugendlichen in Pfarr- und Gemeindehäusern, für das die Betroffenen kein Gehör und keinen Glauben gefunden haben. Die Studie ist ein Anfang, die Wahrheit zu erkennen und das Leid der Betroffenen wahrzunehmen. Gemeinsam mit den Betroffenen werden wir uns auf den Weg machen müssen, früheres Unrecht aufzuarbeiten. Ausdrücklich möchte ich dazu auffordern, Ihnen bekanntgewordene Fälle oder auch persönliche Betroffenheit zu melden und anzuzeigen.

Evangelische Kirchen und Gemeindehäuser sollten Schutzorte für Kinder und Jugendliche sein. Für die Betroffenen von sexualisierter Gewalt sind sie zu Orten des Schreckens geworden. Nähe und Geborgenheit in Gemeinden konnte dazu benutzt werden, das Vertrauen von Menschen zu verraten und ihnen Gewalt anzutun. Geschehene Gewalt wurde vertuscht und geleugnet. Damit haben wir dazu beigetragen, dass Täter und Täterinnen sich sicher fühlten und immer wieder gedeckt wurden. So haben wir uns (mit)schuldig gemacht.

Mit dem Blick nach vorne tun wir, was wir können, um neue Übergriffe zu verhindern. Wir haben in unseren Kirchengemeinden intensiv an Schutzkonzepten gegen sexualisierte Gewalt gearbeitet. Inzwischen haben fast alle Gemeinden ein Schutzkonzept verabschiedet. Wir hoffen hier einigermaßen gut aufgestellt zu sein. Aus Verantwortung für den bitteren Teil unserer Geschichte, werden wir jedoch weitere unabhängige Untersuchungen, wie die ForuM-Studie, brauchen. Sie helfen uns dabei, die eigenen blinden Flecken zu erkennen und Raum für die ganze Wahrheit zu schaffen. Die Studie hält uns den Spiegel vor. Es gilt jetzt, sich dem, was wir darin sehen, zu stellen. Dies ist immer auch eine geistliche und seelsorgliche Aufgabe.

Superintendent Pfr. Dietrich Denker