Liebe Gemeindeglieder,

zwei Wochen Kontaktsperre liegen hinter uns. Das bedeutet für manche viele einsame Stunden, für andere Home-Office inmitten einer quicklebendigen Familie. Und für wieder andere eine kaum zu bewältigende Arbeit und die Sorge, sich anzustecken. Man verliert ein bisschen das Zeitgefühl in diesen Tagen. Die kommende Woche ist schon die Karwoche, die wichtigste Woche im Kirchenjahr. Sie erinnert uns an die letzten Tage im irdischen Leben Jesu.

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In diesem Jahr gehört zu dem Palmsonntag die Geschichte von einer wohltuenden Begegnung. Es geht um eine verschwenderische, zärtliche Begegnung inmitten eines belastenden Geschehens. Es geht um ein uneigennütziges Geschenk einer Frau an Jesus, erzählt im 14. Kapitel des Markusevangeliums.

Diese Frau platzt ins abendliche Essen, in eine Tischrunde aus lauter Männern. 
Sie scheint es eilig zu haben, sie geht direkt auf Jesus zu. Ich nehme an, dass sie weiß: Wenn sie zögert oder etwas erklärt, kommt sie nicht dazu, ihn zu salben. Man würde sie vor die Tür schicken. Sie hat hier nichts zu suchen. 
In ihren Händen hält sie eine kleine Flasche mit kostbarem Nardenöl. Das teuerste Duftöl weit und breit. Sie geht zu Jesus, zerbricht den schmalen Hals des Fläschchens. Sie schüttet den ganzen Inhalt auf seinen Kopf. Mit zärtlichen Berührungen verteilt sie das Öl. Der Duft wird ihn begleiten, der Gedanke an die zärtliche Hand wird ihn trösten.

Sie weiß, wie fragil und schutzlos ein Mensch sich fühlen kann. Wie ausgeliefert und hilflos. Sie ist eine Frau. Sie hat es erfahren und wird es bald wieder erleben. Sie tut es trotzdem. 

Bist du verrückt, rufen einige der Männer. Das ist pure Verschwendung.
So ein teures Öl, ein ganzes Vermögen. Du würdest Jesus mehr Freude machen, wenn du das Geld für die Armen einsetzen würdest statt für diesen Luxus. Was soll dieses sinnlose Tun!

Ist es vielleicht einfacher, sich über das Verhalten anderer zu empören als sich mit den eigenen Gefühlen auseinander zu setzen? Jesus hatte seinen bevorstehenden Tod mehrmals angekündigt. Haben seine Jünger das wirklich begriffen? Wollen sie sich dem nicht stellen? Sie sind die, die Sachfragen erörtern. Mit Zärtlichkeit und Zuwendung können sie in diesem Moment nichts anfangen. Stattdessen weisen sie die Frau zurecht.

Jesus reagiert unerwartet. Er nimmt die Verschwenderin in Schutz. Er versteht ihr Verhalten, ja er verteidigt und lobt sie. „Sie hat meinen Leib im Voraus zum Begräbnis gesalbt. Sie hat ein schönes Werk an mir getan.Man wird sich an sie erinnern.“
 
Für Jesus ist diese Frau die einzige, die verstanden hat, was er jetzt braucht.
Der Duft des Öls, die Zärtlichkeit der Gesten, die Liebe, die verschwenderisch ist, all das wird ihn durch die Leidenszeit tragen.
Die Frau hat verstanden, dass er nicht mehr lange da ist. Für sie zählt dieser Augenblick. Ihr Gespür dafür lässt den Gedanken an eine Verschwendung unwichtig werden. 
Die einfühlenden Gesten der Frau, die Nähe und Zuwendung sind für Jesus tröstend. Sie lindern Angst und Einsamkeit und geben Kraft, alles durchzustehen.

Unser Leben ist endlich, gefährdet, zerbrechlich. Das wird uns in diesen Wochen bewusst. Plötzlich ist nichts mehr sicher, was so sicher schien. Die wirtschaftliche Basis gerät ins Wanken, die Gesundheit ist in Gefahr. Ein Leben kann lange währen, es kann aber auch durch eine Erkrankung oder ein Unglück früh enden. Wir alle wissen das. Wir alle wollen leben. Und wir wissen nicht, wie lange wir einander haben. 

Diese Frau, deren Namen wir nicht kennen, schenkt Zuwendung. Es ist gut, wenn wir uns das Gespür dafür bewahren, was unser Mitmensch braucht. Es gibt aktuell viele Beispiele dafür, dass das gelingt. Da wird für die Nachbarn eingekauft, eine geht mit dem Hund der Frau spazieren, die sich nicht vor die Tür traut. Da gibt es das Telefongespräch mit den Eltern, die darunter leiden, ihre Enkel nicht zu sehen. Ehrenamtliche organisieren Beutel mit Lebensmitteln. Sie hängen sie an einen Gabenzaun für 

Menschen ohne Obdach. Andere 

stellen kostenlos kreative Spiel- und Nähanleitungen ins Internet. Und ein Sternekoch verwendet seine Vorräte um für Pflegepersonal zu kochen, deren Kantine geschlossen ist. Nichts von dem ist verschwendet, was wir einander an Zuwendung schenken!

Wie wäre Jesus in den Tod gegangen ohne solche Zuwendung? Es war gut, dass er diese Anteilnahme erlebt hat. Zuwendung ist keine Verschwendung, sie ist eine Wohltat und kann Schweres erträglich werden lassen. Auch in diesen Wochen. Amen