„Fuck you, Greta“ – Ja, Sie haben richtig gehört, nicht „fack ju Göhte“. „Fuck you Greta“ das ist ein Autoaufkleber! Man denkt: im Ernst? Es gibt diesen und andere Aufkleber im Internet zu kaufen. Die Anbieter verlangen kleines Geld plus Versand. Zur Auswahl steht auch ein grinsender Smiley über dem Namen „Greta“, umrahmt von zwei ausgestreckten Mittelfingern. Oder die Aufforderung „Schnüffel an meinem Auspuff, Greta“.

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Durch die Referentin für Öffentlichkeitsarbeit des Kirchenkreises Bonn bin ich darauf aufmerksam geworden. Da fahren Menschen mit dem Auto durch die Gegend, nennen sich „Fridays for Hubraum“, und verspotten ein junges Mädchen. Greta, die schwedische Schülerin, steht für Hunderttausende junger Menschen, die hoffen, den Klimawandel noch stoppen zu können. Jugendliche, denen nicht alles egal ist. Die sich Sorgen um ihre Zukunft machen und um die Zukunft der Welt. Die sich nicht abfinden wollen mit der Gleichgültigkeit und der Ignoranz, die viele aus der Generation ihrer Eltern, also meiner Generation, leben. Man kann das Schulschwänzen durchaus kritisch sehen und muss doch zugeben, dass die „Fridays for future“ Demonstrationen Aufmerksamkeit erregt haben. Und ich bin davon überzeugt, dass es vielen Jugendlichen wirklich ernst ist mit ihrer Sorge.

Im Moment ist es virusbedingt etwas ruhiger um die Bewegung geworden. Demonstrationen sind kaum möglich, in dieser Woche starteten die Aktivisten einen Online – Versuch. Diese Wochen, in denen unser Leben so reduziert verlaufen muss, haben einen wunderbaren Nebeneffekt. Es ist sichtbar und messbar, dass so viele Emissionen nicht entstanden sind. Die Luft ist sauberer, klarer. Es liegt an uns, in welcher Welt wir leben. Wir erlebten einen sehr milden Winter und im Moment wahrscheinlich den trockensten April seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Dieses Wetter und die Waldbrände der vergangenen Woche machen den Ernst der Lage wieder deutlich. Muss man die, die sich für den Schutz des Klimas und eine Änderung unseres Verhaltens einsetzen, verächtlich machen? Haben die, die diese Aufkleber nutzen, Angst, dass ihnen ihr Auto weggenommen wird?

Es gibt noch mehr Beispiele aus der gleichen Kategorie. Kunden, die sich für diesen Artikel interessierten, kauften auch …. Zum Beispiel den Schlüsselanhänger: „Greta stinkt“. Oder den Aufkleber „Problem gelöst“. Dazu hängen 2 Zöpfe aus der zugeschlagenen Kofferraumklappe. Ich sehe das und denke: Das darf doch wohl nicht wahr sein. Hier verletzen erwachsene Menschen, im Vollbesitz ihrer geistigen Fähigkeiten, die Würde einer jungen Frau. Sie tun wider besseres Wissen so, als wäre Greta das Problem. Doch Greta benennt ja nur die Bedrohung, die unübersehbar ist: den Klimawandel.

Der Hass aus dem Netz ist in der realen Welt angekommen. Und es gibt Menschen, die sich weder schämen, so etwas zu verkaufen, noch es zu kaufen. Ich hoffe, dass die jungen Menschen, die sich engagieren, nicht alles erfahren. Mich ließen solche Äußerungen nicht kalt, sie würden mich sogar sehr verletzen. Nach den vielen verbalen und tätlichen Angriffen auf Politiker haben einige erzählt, wie es ihnen geht. Die Attacken haben sie in Angst versetzt, manche entscheiden sich, ihr Amt aufzugeben. Vieles ist sagbar geworden, was eigentlich unsäglich ist. „Wir werden sie jagen“ kündigte ein Politiker nach seiner Wahl an. Kann man sich nur noch beruflich und ehrenamtlich engagieren, wenn man sich einen Schutzpanzer zulegt? Oder eine Teflonbeschichtung, an der alles abläuft?

Der Name dieses Sonntags ist: Misericordias Domini, das Erbarmen des Herrn. Der Bibeltext dazu (Ez. 34) benennt das Verhalten der Menschen: „Das Schwache stärkt ihr nicht, das Kranke heilt ihr nicht, das Verwundete verbindet ihr nicht … das Starke tretet ihr nieder mit Gewalt“. Der Prophet Ezechiel geht mit Menschen ins Gericht, die sich so verhalten. Wer schwach und verletzlich ist, braucht Verständnis, Unterstützung, in alter Sprache: Erbarmen. Unsere Welt braucht Schutz. Doch das alles fehlt. Ist der Text wirklich schon mehr als 2500 Jahre alt? Warum ist er immer noch so aktuell? Warum hat sich nichts am ignoranten Verhalten der Menschen geändert? Das Verhalten vieler ist immer noch erbarmungslos. Der Prophet Ezechiel ist sich sicher: Gott verurteilt das und ist entschlossen, sich wie ein guter Hirte denen zuzuwenden, die unter diesem Verhalten leiden.

Es wäre so schön, wenn Gottes Erbarmen uns anstecken würde. Damit wir uns für eine Welt einsetzen, auf der man noch lange gesund leben kann. Damit wir uns nicht verleiten lassen, bei verächtlichen Reden zu nicken. Damit wir uns erbarmend, mitfühlend vor die stellen, denen so viel Hass entgegenschlägt. Und damit wir nicht denen Unterstützung gewähren, die Mitverursacher und nicht Opfer des Klimawandels sind. Amen