Liebe Gemeindeglieder,

wir können im Moment leider keine Gottesdienste in unserer schönen Kirche miteinander feiern. Deshalb möchte ich unsere Homepage nutzen, einige Gedanken zum Sonntag zu formulieren. So können wir miteinander verbunden bleiben.

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Alle berichten über Corona, darüber gerät fast in Vergessenheit, dass wir uns in der Passionszeit befinden. Es ist eine Zeit, die viele auch als Fastenzeit bezeichnen und nutzen. Nachdem viele aus unterschiedlichen Gründen ganzjährig auf Fleisch verzichten und Fisch nicht mehr das „einfache, preiswertere“ Essen ist, üben sich manche im Verzicht auf anderes. Sie nehmen sich selbst etwas vor, worauf sie 7 Wochen verzichten möchten: Alkohol, Süßigkeiten, Autofahren, Handynutzung … Es soll tatsächlich ein Verzicht sein, aber machbar bleiben. 

Und jetzt: Kontaktfasten! Wir müssen uns selbst isolieren und Abstand halten, wenn wir die Wohnung verlassen. Das ist kein selbstauferlegtes Fasten, wer würde sich so etwas vornehmen? Es ist eine medizinische Notwendigkeit und Pflicht für alle. Und sie hat weitreichende Konsequenzen. Unsere Gemeindehäuser stehen im Moment nicht mehr als Treffpunkte zur Verfügung. Meine Einführung in die neue Pfarrstelle kann an diesem Wochenende nicht stattfinden. Im neugewählten Presbyterium werden wir per Videokonferenz tagen. 

Ich habe ein paar Tage gebraucht, um mich an den Gedanken zu gewöhnen. Dabei kam mir immer wieder die Erzählung von Jesu Fasten in den Sinn. 40 Tage verbringt Jesus in der Wüste. Bei uns rufen schon nach wenigen Tagen Menschen nach einem Ausstieg aus diesem Kontaktfasten. 40 Tage zieht Jesus sich zurück, bevor er mit seinem öffentlichen Wirken beginnt. Dieser Aspekt trifft mich unmittelbar. Ich wäre ohne die zwingende Notwendigkeit nicht auf die Idee gekommen, mir vor Antritt einer neuen Stelle eine 40tägige Auszeit zu nehmen. Jesus zieht sich zurück, bevor es richtig losgeht. Er nutzt die Zeit für eine Besinnung auf das, was sein Auftrag ist und was ihm wichtig ist.

Am Ende dieser Zeit hat er Hunger. Hunger kann Menschen in Versuchung führen, unvernünftig zu sein. Ich sehne mich nach Kontakt und Austausch. Soll ich nicht doch bei meinen erwachsenen Kindern vorbeischauen? Ich möchte auch sehen, wie es meiner pflegebedürftigen Mutter geht. Und sollte ich den Seelsorgebesuch nicht doch machen? Die Versuchung, vor die Jesus gestellt wird, ist, aus Steinen Brot zu machen. Seine Antwort lautet: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht“. Wir brauchen nicht nur Essen, sondern auch Nahrung für die Seele, Kontakte, Nähe, Zuspruch, geistige Nahrung. Das sind elementare Bedürfnisse, die uns, wenn sie nicht gestillt werden, dünnhäutig und ausgehungert sein lassen.

Nach dieser Reaktion Jesu wählt der Versucher einen anderen Weg. Er zitiert die Bibel. Er erinnert an Psalm 91: „Gott hat seinen Engeln befohlen, dich auf Händen zu tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt“. So will er Jesus dazu bringen, sich in körperliche Gefahr zu begeben. Jesus steht in der Höhe und soll sich in die Tiefe stürzen. Er soll sich also auf ein Wagnis einlassen, für das es keinen Auftrag von Gott gibt.

Auch unter uns werden manche Argumente mit Bibelzitaten bekräftigt. Das können wir, mit der Bibel eigene Wünsche und Pläne rechtfertigen. Man kann sich für vieles eine passende Bibelstelle suchen und damit argumentieren. Doch man reißt sie aus dem Zusammenhang und nutzt sie für eigene Zwecke und Ziele. Gottes Zusage, uns zu behüten, ist kein Auftrag, sich wider besseres Wissen aktiv in Gefahr zu begeben. Auch im Moment nicht.

Jesus widersteht den Versuchungen. Er stürzt sich nicht von der Zinne des Tempels. Am Ende dieser Geschichte aus dem Matthäusevangelium (Kap. 4) erinnert Jesus an das erste Gebot.

Er selbst geht gestärkt aus der Zeit des Verzichts hervor. Es ist eine Erfahrung, die ihn körperlich an seine Grenzen gebracht hat, vielleicht auch mental. Aber danach ist er ist stark und kann seinen Weg gehen.

Am Ende des Matthäusevangeliums steht Jesus auf einem Berg. Er schließt seine gesamte Verkündigung mit der Zusage: „Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende“.

Das gilt, auch heute. Amen